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Die Erzieherin Heidrun Redeker, heute Heidi Benneckenstein, ist 25 und lebt mit Mann und Sohn in München. Sie führt ein normales Leben, doch das war nicht immer so.

Denn Heidrun ist in einer Neonazi-Familie aufgewachsen und hat eine völkische Erziehung genossen. Ihre Kindheit und Jugend war anders. Sie wurde ohne Fernseher und Markenklamotten, dafür mit Ahnenpass, ideologischen Büchern (u. a. Autobiografien von Nazigrößen und Bildbände über den Zweiten Weltkrieg) und selbstgestrickter Kleidung groß. Der Vater war ein angesehener Betriebsinspektor, der seine vier Töchter streng nationalistisch unter Betonung deutscher Werte, wie z. B. Disziplin, Gehorsam, Fleiß und Heimatliebe, erzog. Aus seiner rechten Gesinnung machte er nie ein Geheimnis. Heidrun begann erst mit der Pubertät sich gegen den bestimmenden wie emotional kalten Vater aufzulehnen. Doch geprägt durch Ferienlager, die vom Bund Heimattreuer Jugend (BHJ) oder der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) ausgerichtet wurden, und rechte Freundschaften schaffte sie den Absprung aus der rechten Szene nicht. Im Gegenteil, hier fand sie das, wonach sie sich so sehr sehnte, eine vermeintlich "verständnisvolle" und rebellische Ersatzfamilie. In der bayerischen Neonaziszene lernte Heidrun zudem ihren jetzigen Ehemann, Felix Benneckenstein, kennen, der damals noch als Liedermacher "Flex"Erfolge feierte. Doch unzählige, sinnentleerte Abende, bei denen man sich ohne Maß betrank und gegen Feinde wetterte bzw. gewalttätig wurde, und eine Fehlgeburt, führten bei der Autorin zum Umdenken. Gemeinsam mit ihrem Partner Felix schaffte sie mit 20 Jahren den Ausstieg aus der Szene und gründete gar die bayerische Aussteigerorganisation "Exit".

Heidrun Benneckensteins Buch ist ein durch und durch ehrlicher Erfahrungsbericht, der einen unverstellten Einblick in die heutige Neonazi-Szene und deren Begleitinstitutionen (Ferienlager, Jugendverbände etc.) liefert. Tagebuchartig hält die Autorin hierin Rückschau auf die ersten 18 Lebensjahre. Fassungslos bis verständnislos muss der Leser dabei miterleben, wie eine noch ungefestigte Person mehr und mehr in diese ach so "heile" Szene abrutscht und lange davon beherrscht wird.
Heidrun Benneckensteins offener wie mutiger Umgang mit diesem dunklen Kapitel ihres Lebens nötigt einerseits Respekt ab und macht andererseits betroffen.

FAZIT
Ein informativer Erfahrungsbericht, der unter die Haut geht und mehr als nachdenklich stimmt.

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